Leben im Paralleluniversum
Ein Land, wo es nie Winter wird, Häuser auch ohne 90 °-Winkel auskommen und Gemüse in den Vorgärten wächst – da wohnen wir seit Juli. Warum wir in eine Art Paralleluniversum ausgereist sind und was uns motiviert weitere Monate hier zu bleiben, erfährst du in diesem Bericht.
Leben in der afrikanischen Grossstadt
Wir leben in Jaunde, der Hauptstadt Kameruns mit etwa 3 Millionen anderen. Damit du eine Vorstellung hast, wie so eine Stadt aussieht, nehme ich dich mit auf unseren Arbeitsweg: Unsere Wohnung liegt im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses mit schöner Aussicht, schiefen Wänden und einem undichten Dach. Wir brauchen 3 verschiedene Schlüssel zu 3 verschiedenen Schlössern, um sie zu verlassen. Unser Weg führt über Schotterstrassen, Naturstrassen, Teerstrassen und gepflasterte Strassen. Die Leute am Weg wohnen in Bretterbuden, grossen Häusern mit Bediensteten, Bauruinen ohne fliessend Wasser oder Mehrfamilienhäusern. Neben der Strasse arbeiten Schreiner, Ziegelmacher, Sattler, Gemüseverkäuferinnen und Garagisten unter freiem Himmel. Die Barfrau, die Coiffeuse und die Detailhändlerin arbeiten drinnen. Am Wegesrand wachsen Palmen, Sträucher und allerlei Gemüse. Das idyllische Bild wird jedoch von Unmengen Abfall, toten Ratten, betrunkenen Menschen und stinkenden Autos getrübt.
Raus aus der Krise
Bei der Landverteilung haben die Kolonialherren Ende des 19. Jahrhunderts wenig Wert auf bestehende Grenzen gelegt. Fröhlich zogen sie mit dem Lineal Striche über die Afrikakarte. Das war und ist der Auslöser für viele Kriege und Krisen auf dem Kontinent – auch in Kamerun. Rebellen in den zwei englischsprachigen Provinzen wollen sich mit Gewalt vom französischsprachigen Rest des Landes abspalten. Sie terrorisieren die hiesige Bevölkerung. Viele ergreifen die Flucht. Im Norden des Landes sorgen radikalislamische Gruppierungen für Gewalt und Schrecken. Angst und Perspektivlosigkeit machen sich breit. In der Schweiz bekommen wir nicht viel davon mit – es scheint als geschehe alles in einem Paralleluniversum. Es gibt wenige Missions- und Hilfsorganisationen, die im französischsprachigen Afrika aktiv sind. Eine davon ist Campus für Christus. Campus für Christus ist in jedem Land selbständig organisiert. In Kamerun investieren sich 30 einheimische Mitarbeitende sowie unzählige Freiwillige und Partner in evangelistische Projekte, die den Menschen vor Ort eine neue Perspektive geben. Eine dieser Mitarbeiterinnen ist Marie-Odette. Sie leitet das Projekt «La Vie au Carrefour». Das Projekt ist eine Art Ethik- und Werteunterricht für Schülerinnen und Schüler mit Jesus als Rollenmodell. Marie-Odette erzählte mir wie ein Mädchen nach einer Lektion auf sie zukam. Sie ist 16 und hat ein 2-jähriges Kind. Leider nichts Ungewöhnliches. Sie erzählte, sie habe sich in den Lehrer verliebt. Marie-Odette konnte mit dem Mädchen die Situation besprechen und ihr helfen Prioritäten zu setzen.
Lehren und Lernen
« La Vie au Carrefour» ist nur eines von vielen Projekten und Schulungen die Campus für Christus Kamerun durchführt. Finanziert werden sie unter anderem von Campus für Christus Schweiz. Dass die nötigen Geldbeträge ans richtige Ort fliessen, dafür sorgt Christoph. Er ist im regelmässigen Austausch, nicht nur mit dem Leiter in Kamerun, sondern auch Leitern von weiteren Ländern im französischsprachigen Afrika. Um noch besser die Herausforderungen und die Arbeit in Afrika kennenzulernen, sind wir nach Kamerun gezogen. Daneben unterstützen wir das Team in Kamerun bei der Kommunikation: dem Erstellen der Internetseite und Schulungen zu verschiedenen Themen. Hinter dem Büro haben wir einen Gemüsegarten angelegt und zeigen den Mitarbeitenden, wie sie ihr eigenes Gemüse ohne Dünger oder Pestizide ziehen können.
Unsere Arbeit ist vielschichtig. Wir freuen uns unsere Expertise weiterzugeben, aber auch von dem Team hier zu lernen. Unsere Zusammenarbeit baut Brücken zwischen der Schweiz und Afrika – damit Afrika kein perspektivloses Paralleluniversum bleibt.
Christoph und Sara Rhyner
© Bilder: Christoph & Sara Rhyner